Gwyn – Prinzessin der Diebe
(Prinzess of Thieves, 2001)
Trotz einiger Schwächen macht mir dieser Film Spaß
von Reinhard Prahl
Keira Knightley als Tochter von Robin Hood in einem Disney-TV-Film, das hat schon was – auch wenn der Streifen seine dramaturgischen und Budgetschwächen in keiner der insgesamt 88 Minuten verbergen kann.
Das passiert in Gwyn - Prinzessin der Diebe
England, im Frühling 1184: Nachdem Richard Löwenherz während eines Feldzuges von einer Armbrust schwer getroffen wurde und im Sterben liegt, greift sein machthungriger Bruder Johann Ohneland nach der Krone. Doch Richard erwählte seinen unehelichen Sohn Phillip zum Nachfolger, der sich bereits auf dem Weg von Frankreich nach England befindet. Zu seinem Schutz beauftragt Löwenherz seinen besten Mann und Freund Robin Hood mit dem Schutz seines Sprösslings.
Als es dem Sheriff von Nottingham im Auftrag Prinz Johns gelingt, Robin gefangenzunehmen und einzukerkern, um Jagd auf Phillip machen zu können, ruft das Hoods Tochter Gwyn auf den Plan. Die 17-Jährige reitet wie der Teufel, kämpft wie ein Mann und schießt mit dem Bogen wie die besten der Merry Man. Damit beginnt ein Freiheitskampf auf Leben und Tod…
Über den Film
Gwyn – Prinzessin der Diebe ist die neunte Folge der vierten Staffel der bekannten Filmreihe The Wonderful World of Disney, zu der unter anderem eine für das TV editierte Fassung von Toy Story, Oliver Twist und der hübsche Weihnachtsfilm Hallo ja bin ich denn der Weihnachtsmann mit Leslie Nielsen als Santa Claus gehören. Das Drehbuch stammt vom ansonsten unbekannten Robin Lerner, während Peter Hewitt (Garfield: Der Film) Regie führte.
Als ausführender Produzent fungierte Jon Cowan, der unter anderem für so bekannte Serien wie Crossing Jordan: Pathologin mit Profil, dem leider kurzlebigen Reboot von Bionic Woman (mit Michelle Ryan in der Hauptrolle) und Bones (zwischen 2015 und 2016) verantwortlich zeichnet, während die Kameraführung auf Andy Collins (David Copperfield, 1999) zurückgeht. Der gut gelungene Score stammt vom 1967 in Kent in Großbritannien geborenen Rupert Gregson-Williams, dessen Kompositionen in so bekannten Serien wie der britischen Cosy-Crime-Reihe Agatha Raisin, dem Megaerfolg The Crown und dem DC-Blockbuster Aquaman zu hören sind.
Der Film basiert möglicherweise lose auf dem Columbia-Pictures-Klassiker Robin Hoods Vergeltung (Rogues of Sherwood Forest) von 1950, der wiederum auf die ab 1941 erschienene Romanreihe The Son of Robin Hood von Paul A. Castelton zurückgeht. Allerdings existiert noch eine spätere Verfilmung aus dem Jahr 1958 von 20th Century Fox, die unter dem Titel Der Sohn von Robin Hood (The Son of Robin Hood) firmierte und durchaus ebenfalls Pate gestanden haben könnte.
Gedreht wurde überwiegend im Baneasa-Wald im Norden von Bukarest in Rumänen. In dem osteuropäischen Land war seit dem Fall des Eisernen Vorhangs eine gut aufgestellte Infrastruktur für die Filmwirtschaft entstanden, die schnell zu einem Magnet für Produzenten von B-Actionmovies und TV-Filmen avancierte. Zahlreiche ehemalige Hollywood-Helden und -Bösewichte wie unter anderem der deutschstämmige Matthias Hues (vgl hierzu seine Autobiografie Shirtless in Hollywood) zog es nach Rumänien, um dort ihre Karriere wieder aufleben zu lassen.
Der Cast von Gwyn - Prinzessin der Diebe
Als besonders interessant stellt sich übrigens ein Blick auf den Cast des möglicherweise als Pilotfilm für eine neue Serie gedachten Werks heraus. Die Titelfigur spielte Keira Knightley, die ihre Karriere 1993 mit einer kleinen Rolle in der Fernsehserie Screen One gestartet hatte und nach ihrem Auftritt als Sabé in Star Wars: Episode I – Die dunkle Bedrohung als neue Hoffnung am Hollywood-Himmel galt. Ihr Auftritt als Gwyn war der erste für den Mäusekonzern Disney, dem 2003 der Kassenhit Fluch der Karibik (Pirates of the Caribbean: The Curse of the Black Pearl) folgte, mit dem Knightley endgültig zum Star wurde.
In die Rolle des Sheriffs of Nottingham schlüpfte niemand Geringeres als Malcolm Mc Dowell, der 1971 als Alex in Stanley Kubriks Uhrwerk Orange für Furore gesorgt hatte und dessen Leistungen im Filmgeschäft zu zahlreich sind, um sie in diesem Artikel adäquat zu behandeln. Der Brite Stuart Wilson, bekannt aus Filmen wie Lethal Weapon 3 und die Die Maske des Zorro, übernahm den Part von Robin Hood, der hier als Robin of Locksley in Erscheinung tritt. Roger Ashton-Griffiths (Game of Thrones) gab den Bruder Tuck und Crispin Letts (James Bond 007: Skyfall) den schon aus den frühesten Balladen bekannten Will Scarlett (vgl. etwa A Gest of Robyn Hode aus dem 15. Jahrhundert).
Prinz Philip-Darsteller-Stephen Moyer kennen wir wiederum als liebestollen Vampir Bill Compton in 81 Folgen des Mystery-Romantasy-Hits True Blood. Hinzu gesellen sich Del Synnott als Gwyns guter Freund seit Kindertagen Froderick, während Jonathan Hyde den fiesen und bemerkenswert gut gespielten Prinz John spielt.
Der Film feierte in den USA am 11. März 2001 auf ABC Premiere. Am 25.08. folgte Deutschland auf dem Pay-TV-Sender Disney Channel. Am 1.11.2001 kamen auch Free-TV-Zuschauer in den Genuss, den Film sehen zu dürfen, und zwar auf RTL, wo der Streifen im Nachmittagsprogramm zwischen 17.00 und 18.45 Uhr zu sehen war.
Die Synchronisation
In der Synchronisation weist Gwyn - Prinzessin der Diebe eine witzige Besonderheit auf. Der oben bereits erwähnte Stuart Wilson alias Robin of Locksley wird nämlich von niemand Geringerem als Frank Glaubrecht gesprochen, der regelmäßig Kevin Costner seine Stimme leiht, so auch im Blockbuster Robin Hood - König der Diebe (Robin Hood - Prince of the Thieves, 1991). Keira Knightley-Stammsprecherin Giuliana Jakobeit übernahm den Part von Gwyn und die drei Synchron-Stars David Nathan, K. Dieter Klebsch und Lothar Blumhagen treten als Prinz Phillip, Prinz John und Sheriff von Nottingham in Erscheinung. Klaus Jepsen darf sich übrigens als Friar Tuck versuchen und Thomas Nero Wolff als Will Scarlett.
Kritik
Gwyn – Prinzessin der Diebe ist ein hübscher, wenn auch recht seichter Abenteuerfernsehfilm, der sich redlich bemüht, der Legendenwelt um unseren Lieblingsoutlaw eine neue Facette hinzuzufügen. Robin ist nach dem Dritten Kreuzzug merklich gealtert, begleitet König Richard aber immer noch auf jeden Feldzug als Krieger, Freund und Berater. Währenddessen wächst seine Tochter, die er gemeinsam mit der verstorbenen Marion hatte, friedlich und sicher bei Bruder Tuck auf. Doch die hat die Abenteuerlust ihres Vaters geerbt und so tritt sie in seine Fußstapfen, um Prinz John zu besiegen und dem rechtmäßigen Herrscher über England den Thron zu ebnen.
Soweit die ideenreiche Prämisse, durch die es Disney seinerzeit gelang, die noch junge Keira Knightley weiter auf dem Weg zum Star zu begleiten. Kngihtley hatte kurz zuvor (wie oben erwähnt) die Sabé in Star Wars: Episode I – Die dunkle Bedrohung gegeben und war seitdem ein weithin bekanntes Gesicht. Dass die jüngeren Zuschauerinnen und Zuschauer also einschalten würden, schien so gut wie sicher.
Historischer Nonsens
Leider hat sich Drehbuchautor Robin Lerner aber gleich in mehrfacher Hinsicht arg verhoben. Die insgesamt 88 Minuten weisen auf historischer Ebene so viele Ungenauigkeiten und Fehler auf, dass es dem geschichtsinteressierten Robin-Fan bisweilen schon in der Seele wehtut. Hat sich Richards tödliche Verletzung bei der Belagerung der Burg Châlus-Chabrol noch tatsächlich in ähnlicher wie der geschilderten Form zugetragen, stimmt das anvisierte Handlungsjahr allerdings noch nicht einmal annähernd, weil Löwenherz 1199 starb und nicht 1184. Außerdem nimmt es der Skriptschreiber im weiteren Verlauf weder mit Gepflogenheiten, noch der Wortwahl oder anderen bekannten Fakten sehr genau. Etwas mehr Recherche hätten dem Werk insofern sicherlich gut getan.
In Anbetracht der Tatsache, dass das Ganze letztlich für einen Fernsehnachmittag gut und gern schon allein aufgrund der ansehnlichen Besetzung reicht, kann man solche Feinheiten aber durchaus verschmerzen. Schwerwiegender wirken sich da schon manch holprige und wenig durchdachte Dialoge aus, die sich bisweilen wie mit der Brechstange erzwungen, anhören. Dasselbe gilt für die stellenweise sehr brüchige Dramaturgie, die dazu führt, dass einige Szenen wohl aus purer Zeit- und Geldersparnis heraus unvollständig und abgehackt wirken.
Romantik-Tik
Der Abschluss gelingt hingegen wiederum auf ganzer Ebene. Bedenken wir das geringe Budget und die üblichen Beschränkungen einer Fernsehproduktion jener Tage, gab sich Regisseur Robin Lerner alle Mühe, den großen Endkampf möglichst dynamisch und actionreich zu gestalten. Disney-typisch blieb man dabei aber dennoch familienfreundlich, so dass es weder viele Tote noch Blutlachen oder abgeschlagene Gliedmaßen zu sehen gibt. Ein Hundsfott, wer da mehr erwartet.
Die letzten Szenen sind indes sogar richtig romantisch. John ist besiegt und der gutaussehende Phillip ist kurz davor, den Thron zu besteigen. Im Verlauf ihres gemeinsamen Abenteuers haben sich die jungen Leute unsterblich ineinander verliebt, doch zusammen sein dürfen sie nicht. Er ist ein König, sie eine einfache Freisassin ohne edle Abstammung. Eine Vermählung ist also ausgeschlossen. In einem tränenreichen und toll gespielten Dialog verabschieden sich die gescheiterten Turteltäubchen voneinander. Nichtsdestotrotz geht zumindest Gwyns zweitgrößter Wunsch in Erfüllung. Sie hat ihrem Vater bewiesen, dass sie eine tapfere und kluge Kriegerin ist und darf ihn fortan auf seinen Abenteuern begleiten.
Fazit
Tolle Schauspieler, eine auf Sparflamme kochende Inszenierung, die aber dennoch ansehnlich ist, ein rissiger Plot und ein romantisches Finale. Wer sich einen unaufgeregten Nachmittag mit einem Film aus dem Robin-Universum machen möchte, der die ein oder andere neue Idee mit sich führt, macht mit Gwyn - Prinzessin der Diebe garantiert nichts falsch. Wer sich mehr erhofft als das, sollte sich das Geld für die Blu-ray vielleicht besser sparen. Ich für meinen Teil mag den Film jedenfalls trotz seiner kleinen Schwächen.
Wissenswertes
- Gwyn, die Prinzessin der Diebe ist nicht die erste Frau in der Sagenwelt um Robin Hood, die es versteht, mit Bogen und Schwert umzugehen. In der Ballade Robin Hood and Maid Marian aus dem 17. Jahrhundert zieht Marion verkleidet und bewaffnet in den Wald, um ihren Geliebten zu finden. Als sie auf ihn trifft, erkennt sie ihn allerdings nicht, weil auch er sich der List der Kostümierung bedient. Es kommt zu einem über eine Stunde andauernden Kampf, in dem sowohl sie, als auch Robin schwer verletzt werden, bis der Outlaw ihr schließlich anbietet, sich den merry men anzuschließen. Als Marion aber seine Stimme vernimmt, fällt es ihr wie Schuppen von den Augen. Die Liebenden fallen sich in die Arme und küssen sich und leben von nun an glücklich in den tiefen Wäldern. (vgl. Grün: 39 ff.)
- Der Film weist einige historische Ungenauigkeiten, um nicht zu sagen, Fehler auf, die allerdings im Sinne des Narrativs zu verstehen sind. Die Geschichte beginnt im Jahr 1184, in dem Robin Hood mit Richard Löwenherz auf einen Kreuzzug geht. Tatsächlich wurde Löwenherz erst 1189 gekrönt. Hinzu kommt die Tatsache, dass Löwenherz 1199 starb, weshalb der Film in diesem Jahr ansetzen müsste, wenn der Autor seine Hausaufgaben gemacht hätte.
- Ein weiterer Anachronismus ist die Erwähnung von Prinz Phillip, ein Sohn Richards. In Princess of the Thieves spielt er eine nicht unwesentliche Rolle, obwohl heute von einigen Historikern nicht einmal seine Existenz als absolut gesichert angesehen wird. Prinz John übernahm indes den Thron nach dem Tode Richards auf dessen ausdrücklichen Wunsch.
- Gwyn tituliert Phillip als "Majesty", obwohl diese Anrede erst ab Henry VIII (1509 – 1547) bezeugt ist.
- Dies ist einer der wenigen Filme, in der Little John keine Rolle spielt, obwohl er bereits in den frühesten Balladen Erwähnung findet und in der Legendenwelt von Robin Hood so etwas wie Star-Status genießt. Die im 17. Jahrhundert entstandene Ballade Robin Hood and Little John erzählt übrigens die weltberühmte Geschichte des Kennenlernens der beiden, die in einem Stockkampf auf dem Steg eines Flusses mündet. Robin verliert bekanntermaßen und nimmt John Little, der von William Stutely kurzerhand in Little John umgetauft wird, in seine Bande auf:
"This infant was called John LIttle, quoth he,
"Which name shall be changed anon;
The words we'll transpose, so where-ever he goes,
His Name shall be calld Little John (Strophe 33, nach https://www.boldoutlaw.com/rhbal/bal125.html )
Interessante Zusatzquellen
Hues, Matthias (2019): Shirtless in Hollywood, Los Angeles, Self Published
Grün, Anastasius (1907): Robin Hood, Leipzig, Public Domain, Kindle
Frey, Johannes (2016): Die ältesten und schönsten Balladen von Robin Hood, Tectu-Verlag, Marburg
Fischer, Robert-Tarek (2019): Richard I. Löwenherz 1157 - 1199. Ikone des Mittelalters, 2. Auflage, Wien
https://www.boldoutlaw.com/rhbal/bal150.html
https://www.boldoutlaw.com/robspot/princess-of-thieves.html
https://chaucer.fas.harvard.edu/gest-robyn-hode-original
https://www.gutenberg.org/files/10148/10148-h/10148-h.htm
https://www.boldoutlaw.com/rhbal/bal125.html
alle zuletzt abgerufen am 05.10.2022
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Bildquelle: KSM 2009