Rebell ohne Gnade

(Capitan Fuoco, 1958)

 

Lex Barker als Italo-Held

von Reinhard Prahl

Lex Barker tritt als ins italienische Mittelalter verlegter Robin-Verschnitt gegen einen bösen Baron und dessen Schergen an und lächelt beinahe jeden noch so kleinen Trashfaktor charmant weg. Wenn dann noch El-Cid-Star Massimo Serato den Bösewicht gibt, könnte die Welt fast in Ordnung sein - aber nur fast.

 

Das passiert in Rebell ohne Gnade

Der grausame Barone Oddo di Serra (Missimo Serato) lässt im 13. Jahrhundert den Vater der schönen Grafentochter Elena di Roccalta (Rossana Rory) ermorden, um dessen Land zu okkupieren und die schutzlose Frau zu heiraten. Nur der furchtlose Pietro alias Capitan Fuoco (Lex Barker) vermag es, dem Bösewicht die Stirn zu bieten, in dem er sich mit einigen Getreuen in den Wäldern des Apennin verbirgt. Schon bald kommt es zum großen Showdown...

 

Über den Film

Es gibt Filme, die sich mit zäher Hartnäckigkeit fast jeder näheren Recherche entziehen. So geschehen bei den Nachforschungen zu Der gnadenlose Rebell aka Robin Hood, der RebellCapitan Fuoco, Capitan Fuego, Le Retour de Robin de Bois, Kapetan Vatra, bzw. Captain Falcon. So ließ sich trotz umfangreicher Suche etwa nicht herausfinden, welche Locations für diesen  Abenteuer-Kostümfilm als Kulisse dienten. Angesichts einiger ansehnlicher Landschaftsaufnahmen ist das durchaus schade, wenn die Ermittlungen in diese Richtung auch noch nicht vollends eingestellt sind.

 

Immerhin ist aber bekannt, dass das Werk unter der censura 28353 am 19.12.1958 in den italienischen Lichtspielhäusern anlief, während am 22. Dezember desselben Jahres Großbritannien und am 6. November 1959 Westdeutschland folgte. Als Produktionsfirma bzw. Distributor in Italien fungierten Transfilm respektive Transfilm Importazione Esportazione Produzione Film, die 1962 in Zusammenarbeit mit Panda Film und Alta Vista Filmorsa noch den relativ üppigen Abenteuerklopfer Marco Polo (mit Roy Calhoun in der Titelrolle) herausbrachten. In Deutschland hatten sich hingegen Ring-Film und Austria die Rechte für den Kinoverleih gesichert. Erwähnung fand der Streifen last but not least unter anderem in den Zeitschriften "Film Revue", "Das neue Filmprogramm", im "Film Journal", sowie der "Illustrierte Film-Bühne" (Nr. 5057).

 

Das Produktionsteam

Interessant dürfte darüber hinaus noch ein Blick auf die Liste des Produktionsteams sein, zumal hier so ziemlich jeder Italo-B-Movie-Fan die ein oder andere Freudenträne verdrücken dürfte. Der Schauspieler, Drehbuchautor und Regisseur Carlo Campogalliani (1885 – 1974) war seit 1914 im Geschäft und hatte seitdem eine bunte Mischung aus Autorenfilmen, Dramen und Kostümtiteln in sein Portfolio aufgenommen. Bei Rebell ohne Gnade nahm er zum 70. Mal im Regiestuhl Platz. Zu seinen späteren bekannteren Arbeiten zählen heute der Sandalenfilm Alboin, der König der Langobarden (mit Jack Palance, Eleonora Rossi Drago und Guy Madison) sowie der farbenfrohe Mantel-und-Degen-Schinken Der Rächer von Venedig (mit Brett Halsey in der Titelrolle).

 

An dem leider inhomogenen Drehbuch versuchte sich ein gleich vierköpfiges Autorenteam, neben Campogalliani auch die gänzlich unbekannte Isabella Conino, der Sandalenfilm- und Italowesternschreiber Gino Mangini (Äneas, Held von Troja, Django – Der Tag der Abrechnung) und der an Klassikern wie Cleopatra, Die größte Geschichte aller Zeiten oder Die Normannen kommen (in der Hauptrolle: Charlton Heston) beteiligte Vittorio Nino Novaresse.

 

Spannend ist, dass Novaresse nicht auch die Kostümabteilung – seine eigentliche Kernkompetenz – übernahm. Für jenen Part zeichnete dafür Giovanna Natili verantwortlich, die zugleich sozusagen ihr Mittelalter-Debüt ablieferte und ein Jahr später die Antikenheldlegende Steve Reeves in Herkules, der Schrecken der Hunnen mit möglichst knappen Outfits beglücken durfte.

 

Die Kameraarbeiten leitete der aus zwei Sandokan-Teilen bekannte Routinier Bitto Albertini (1924 – 1999) und die Musik stammt vom nur drei Jahre nach Rebell ohne Gnade viel zu früh verstorbenen Carlo Innocenzi (unter anderem je vier Hercules- und Maciste-Adaptionen). Zusammen mit Make-up-Artist Romolo de Martino und Setdekorateur Giorgio Desideri traf sich also sozusagen das Who is Who des italienischen Adventure- und Sandalengenres.

 

Die Synchronisation

Obwohl viele (vornehmlich) ältere Filmfans wohl Gert Günther Hoffmanns (1923 – 1997) Stimme mit Lex Barker assoziieren, war dieser jedoch nicht der einzige Sprecher, der den blonden Hünen aus New York für den deutschen Markt interpretierte. Tarzan-Freunden dürften sich zudem noch an Horst Niendorf (1926 – 1999) erinnern. Darüber hinaus kamen aber auch Reinhard Glemnitz, Wolfgang Eichberger (1911 – 1963) und Peter Pasetti (1916 – 1996) zum Zuge, der ebenfalls für Rebell ohne Gnade verantwortlich zeichnet.

 

Da aufgrund des Verlustes der letzten Filmrolle offenbar für die VHS-Veröffentlichung teilweise nachsynchronisiert werden musste, ist außerdem Reent Reins zu hören, der unter anderem als deutsche Stimme von Michael Landon in Ein Engel auf Erden (Highway to Heaven) fungierte. Pasetti war wiederum, wie sein Kollege Reins, ein beliebter Hörspielsprecher. Freunde von Die drei ??? erinnern sich ebenso gerne an seine Darbietungen als Erzähler wie Masters of the Universe-Veteranen an seine Auftritte als Skeletor.

 

Der oben bereits erwähnte Wolfgang Eichberger ist übrigens ebenfalls im Film zu hören, und zwar als Rocco (Furio Meniconi). Als Baron Oddo di Serra tritt David Nieven-, Vincent Price- und Peter Cushing-Stammsprecher Friedrich Schoenfelder in Erscheinung, der bis zu seinem Tod am 14. August 2011 auf eine lange und erfolgreiche Film- und Synchronkarriere zurückblicken konnte. Die liebreizende Elena – die italienische Variante der Maid Marion – wird in der Synchronfassung indes von Eleonore Noelle (1024 – 2004) verkörpert, die wir unter anderem als deutsche Stimme von Grace Kelley in Über den Dächern von Nizza (To Catch a Thief) oder als Stammsprecherin von Ingrid Thulin kennen.

Kritik

Schmale Börse, schmale Ausstattung

Im direkten Vergleich zum zwei Jahre später entstandenen Robin Hood und die Piraten ist Rebell ohne Gnade eindeutig der schlechtere Film. Nicht dass ersterer ein Highlight des italienischen B-Movie-Kinos gewesen wäre, doch immerhin können sich die Stunts und Kampfszenen durchaus sehen lassen. Ganz im Gegensatz zu diesem Machwerk, dessen Actionsequenzen in vielen Einstellungen hilflos bemüht wirken. Wenn ein Grüppchen von höchstens zehn Angreifern auf Holzleitern die Felswand zur Höhle der Rebellen erklimmen will und mit Steinen, Pfeilen und Speeren daran gehindert wird, ist das Actionmoment höchstens nett gemeint, nicht aber gut inszeniert.

 

Leider hakt es auch bei der Ausstattung gewaltig, denn das offensichtlich schmale Budget, mit dem Regisseur Campogalliani hier zu kämpfen hatte, spricht an allen Ecken und Enden eine mehr als deutliche Sprache. Selten sind mehr als zwanzig Statisten und Stuntleute im Einsatz, die oft genug nicht einmal in ein Scharmützel verwickelt sind. Das Kostümdesign ist alles andere als stimmig (ein italienischer Robin Hood in kurzen Hosen geht gar nicht) und das Szenenbild hinterlässt einen schlicht und ergreifend billigen Eindruck.

 

Die geschliffenen Bauerndörfer bestehen in der Regel höchstens aus zwei oder drei mühsam zusammengeschusterten Hütten und das Schloss des mächtigen Conte di Roccalta ist winzig und bietet keinerlei Schauwerte. Da gibt es zahlreiche Beispiele aus jenen Tagen mit hübscherer und durchdachterer Ausstattung. Bisweilen recht schwer zu ertragen ist zudem die Orgel geschwängerte Musikuntermalung von Carlo Innocenzi. Diese gehört wahrlich nicht zu den besten Scores, die der Komponist im Laufe seiner Karriere ablieferte.

 

Scheunentorlogik

Das alles wäre vielleicht noch zu ertragen, wenn das Drehbuch nicht Löcher in der Größe eines Scheunentores aufweisen würde. Warum beispielsweise Capitan Manfredo zum Verräter wird, erschließt sich keine Sekunde lang, zumal der ansprechend von Herbert A.E. Böhme gespielte Conte di Roccalta ein liebenswürdiger und gutherziger Herrscher ist, der niemandem etwas Böses wünscht. Hinzu kommt, dass er auf Geheiß der um ihren Vater trauernden Elena auch noch vollkommen unmotiviert mit sichtlicher Freude beginnt, das arme Bauernvolk zu folterten.

 

Der von Paul Müller gespielte Bösewicht-Sidekick Rusca taucht des Weiteren stets genau zur richtigen Zeit am richtigen Ort auf, um seine Intrigen zu spinnen, wobei nie klar wird, wie er überhaupt von diesem oder jenem Ereignis erfuhr. Zu guter Letzt ist da noch der eremitische Bruder-Tuck-Ersatz ohne jegliche Funktion und Charisma, der weder Spannung noch Emotionen in die Geschichte bringt.

 

Apropos Elena. Obwohl Rebell ohne Gnade eindeutig eine Robin-Hood-Adaptation darstellt, hat sich das Autorenteam bei aller Holprigkeit des Drehbuchs doch einen netten Twist einfallen lassen. Wie oben angedeutet, ist die Tochter des Conte ob der Ermordung ihres Vaters gramgebeugt und gibt sich daraufhin zunächst ihrem Volk gegenüber kaltherzig. Sie sieht in Capitan Pietro nicht unbegründet den Mörder und vermutet zurecht, dass ihre Untertanen den Dissidenten schützen. Das ist eine nette Wendung, die so in den klassischen Hood-Filmen nur sehr selten auftaucht und dem Streifen eine gewisse Eigenständigkeit verleiht.

 

Ein hölzerner Star

Sehr viel mehr Positives lässt sich aber selbst durch die Nostalgiebrille blickend nicht berichten, zumal die meisten schauspielerischen Darbietungen – inklusive der von Lex Barker selbst – eher in Richtung unterirdisch tendieren. Nicht falsch verstehen bitte. Der Autor dieses Artikels ist ein großer Barker-Fan, doch in Robin Hood, der Rebell legt der blonde Ex-Tarzan nicht gerade eine Glanzleistung hin.

 

Oftmals wirken Gestik und Mimik steif, der finale Schwertkampf gegen den klar besser geschulten Massimo Serato gerät langweilig. Die hölzernen Dialoge retten den Tag ebenfalls nicht, so entsteht der Eindruck, dass dieser Film lediglich Mittel zum Zweck war. Wie dem auch sei, erleben wir hier in jedem Fall einen ganz anderen Helden, als noch ein Jahr zuvor in Lederstrumpf – Der Wildtöter (Deerslayer), in dem Barker wesentlich besser zur Geltung kommt.

 

Fazit

Rebell ohne Gnade macht auch für einen typisch italienischen B-Film eine ganze Menge falsch. Die Regiearbeit ist ungelenk, die Dialogführung schlecht, die Ausstattung billig und das Drehbuch ein Reinfall. Wesentlich unterhaltsamer sind da beispielsweise die nur ein Jahr später erschienenen Die Vergeltung des roten Korsaren und der Nachfolger Der Sohn des roten Korsaren, in denen Lex Barker eindeutig mehr Spielfreude an den Tag legt. Schade, denn die Idee, die Robin-Hood-Legende nach Italien zu verlegen ist an sich pfiffig und der Twist um die schöne Elena durchaus ansehnlich. Da wäre mehr drin gewesen.

Wissenswertes

-  Obwohl Regisseur Carlo Campogalliani die Geschichte sinnigerweise nach Italien verlegte, kannten er und sein Autorenteam sich offensichtlich in der Welt von Robin Hood aus. So ist Capitan Pietro beispielsweise bewandert in der Kunst des Verkleidens, eine Fähigkeit, die auch seinem englischen Pendant in mehreren Balladen zugeschrieben wird. In der um 1600 entstandenen Ballade Robin Hood Rescuing Three Sqires (Robin Hood rettet drei junge Männer) findet sich beispielsweise folgende Szene:

 

"Was gibt's, was gibt's mein Pilgermann?

Was ist die Neuigkeit?

Drei Jungs, sprach er in Nottingham

Die sterben am Galgen heut."

Und Robin antwortet:

Gib mir dein Gewand, oh Pilgersmann,

ich gebe dir meins als Lohn

und 40 Schilling in Silber dazu

da kaufst du dir Wein davon." (Frey, 2016: 138)

 

- Funfact: Ob sich Eleonore Noelle als Sprecherin von Elena wohl darüber bewusst war, dass sie eine berühmte Namensvetterin im Mittelalter hatte, die außerdem eine große Rolle in der Robin-Hood-Welt spielt? Schließlich brachte Eleonore von Aquitanien, ihres Zeichens Herzogin von Aquitanien, Königin von Frankreich und England im Jahr 1157 niemand Geringeren als Richard I. alias Richard Löwenherz zur Welt.

 

Interessante Zusatzquellen

Fischer, Robert-Tarek (2019): Richard I. Löwenherz 1157 - 1199. Ikone des Mittelalters, 2. Auflage, Wien

Frey, Johannes (2016): Die ältesten und schönsten Balladen von Robin Hood, S. 137 - 140, Tectum Verlag, Marburg 

Turner, Ralph V. (2016): Eleonore von Aquitanien: Königin des Mittelalters, C.H. Beck, München

https://www.archiviodelcinemaitaliano.it/index.php/scheda.html?codice=AG%20232

https://www.boldoutlaw.com/rhbal/bal140.html

https://www.cinematografo.it/film/capitan-fuoco-ytxjl20j

https://www.davinotti.com/film/capitan-fuoco/44805

(alle zuletzt abgerufen am 10.06.2024)

 

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Bildquellen: Pidax

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