Der Herr der sieben Meere (The Sea Hawk, 1940)
Dieser Film ist Pflichtprogramm
von Reinhard Prahl
Errol Flynn in Bestform, wenn auch nicht mit Olivia de Havilland. Doch das macht einen der größten Stars aller Zeiten nicht weniger sehenswert, wie die „Mutter aller Swashbuckler“ eindrucksvoll beweist.
Das passiert Der Herr der sieben Meere
Über den Film
Wenn man sich näher mit dem Piratenklassiker Der Herr der sieben Meere von 1940 auseinandersetzt, stößt man früher oder später garantiert auf den Namen Rafael Sabatini (1875 – 1950). Heute dem Namen nach vielleicht nicht mehr allzu bekannt, gehörte Sabatini zu seinen Lebzeiten allerdings zu den bedeutendsten Abenteuerromanautoren des frühen 20. Jahrhunderts. Als Sohn des italienischen Tenors Vincenzo Sabatini und der englischen Sopranistin Anna Trafford geboren, wuchs Sabatini zunächst in Porto (Portugal) auf und begann im zarten Alter von 17 Jahren eine kaufmännische Ausbildung in London.
Doch den fantasiebegabten Rechenschieber dürstete es weniger nach Zahlen als vielmehr nach der Schreiberei. So verfasste er bereits 1901 eine Kurzgeschichte und nur ein Jahr später seinen ersten Roman mit dem Titel The Lovers of Yvonne. Being a Portion of the Memoirs of the Sieur Gaston de Luynes, der aber von der Kritik mit wenig Begeisterung aufgenommen wurde.
Starrsinnig wie Künstler in der Regel aber nun einmal sind, übte sich Sabatini weiter und gab ab 1904 fortan alle ein bis zwei Jahre neue Geschichten heraus, die mit der Zeit immer erfolgreicher wurden. Und damit sind wir nun bei dem hier besprochenen Film angelangt, denn The Sea Hawk erschien als zwölftes von 39 Romanwerken (insgesamt gab der umtriebige Autor auf 57 Publikationen heraus) im Jahr 1915 und fand seinen Weg 1927 unter dem Titel Der Seehabicht. Ein Piratenroman auch in den deutschsprachigen Raum.
Obwohl Der Herr der sieben Meere ursprünglich als Romanadaption zu genau diesem Werk gedacht war, kam es, wie wir wissen, jedoch anders und der Klassiker, den wir heute kennen und lieben, basierte letztlich nur sehr lose auf der literarischen Vorlage. Genauer gesagt haben Film und Roman im Grunde genommen so gut wie gar nichts mehr miteinander gemeinsam.
Des Weiteren sei erwähnt, dass Sabatini noch eine Reihe weiterer Geschichten folgen ließ, die in Filmform große Berühmtheit erlangten. Darunter befinden sich so klangvolle Titel wie Scaramouche (Scaramouche. Roman der französischen Revolution, in Deutschland 1927 erschienen) oder Captain Blood (Peter Bluts Odyssee, 1927), die als spektakuläres Piratenabenteuer mit Errol Flynn hierzulande als Unter Piratenflagge (1935) tituliert in die Kinos kam.
Interessanterweise war Sabatini dem Vernehmen nach weder ein Fan von Captain Blood (1935), noch von Der Herr der sieben Meere wohl aber von den im Jahr 1924 erschienenen Stummfilmumsetzungen. Zweiter war von Frank Lloyd (u. a. Meuterei auf der Bounty/Mutiny of the Bounty, 1935) inszeniert worden und ist in Deutschland als Die Seeteufel bekannt. Die Hauptrolle des Sir Oliver Tressillian übernahm seinerzeit der berühmte Stummfilmstar Milton Sills (1882 – 1930), während die Lady-Marian-Darstellerin (Robin Hood, 1922) Enid Bennet (1893 – 1969) die Lady Rosamund Godolphin gab.
Die Vorgeschichte
Da der Name Sabatini also seit 15 Jahren filmische Erfolge verhieß und das Remake von Captain Blood ein solcher Renner wurde, machte es Sinn, auch sein anderes Piratenabenteuer neu zu verfilmen. Die Entstehungsgeschichte von Der Herr der sieben Meere hängt dabei im Wesentlichen eben mit dem großen Erfolg des oben genannten Streifens als auch mit dem seines Stars Errol Flynn zusammen. Als der damals seit 22 Jahren als Regisseur etablierte Michael Curtiz (Robin Hood – König der Vagabunden/The Adventures of Robin Hood, 1938) die Verantwortung für Unter Piratenflagge übernahm, war der tasmanische Lebemann Errol Flynn noch ein unscheinbares kleines Licht am Sternenhimmel der Traumfabrik Hollywood.
1933 hatte er sein Debüt in dem Charles-Chauvel-Abenteuer In the Wake Bounty gegeben, einem eher bescheidenen Versuch, die auf wahren Begebenheiten basierende Bounty-Romantrilogie von Charles Bernard Nordhoff und James N. Hall filmisch nachzuerzählen. Bis 1935 verdingte sich Flynn als Vertragsschauspieler für Warner Bros. in mehr oder weniger kleinen Nebenrollen und wurde teilweise nicht einmal im Abspann genannt. Doch als Robert Donat, der zuvor den Edmont Dantes in Der Graf von Monte Christo (The Count of Monte Christo, 1934) gegeben hatte das großzügige Angebot für die Hauptrolle in dem kommenden Swashbuckler ablehnte, kam Flynn zum Zuge.
Da Unter Piratenflagge mit einem Budget von 1,24 Millionen Dollar (nach anderen Quellen 995000) ein recht teures Unterfangen war, stellte sein Engagement durchaus ein Risiko dar, wie Christoph Kellerbach im Booklet zum Film richtig ausführt. Einen fast gänzlich unbekannten Mimen in der Hauptrolle zu besetzen, war auf jeden Fall eine mutige Entscheidung.
Letztlich zahlte sich die Risikobereitschaft aber aus. Erstens spielte der Film 3,09 Millionen Dollar ein und war damit ein ansehnlicher finanzieller Erfolg und zweitens begann damit die große Zeit des Traumpaars Flynn/Olivia de Havilland, die gemeinsam in insgesamt acht Welterfolgen vor der Kamera standen.
Die klingenden Kassen verleiteten Warner also dazu, das Dreamteam Curtiz, Flynn und de Havilland vorerst nicht auseinanderzureißen. So folgte 1936 Der Verrat des Surat Khan (The Charge of the Light Brigade), und 1938 das vielfach zitierte, stilbildende Robin-Hood-Abenteuer. Diese Erfolgsformel sollte nun auch in Der Herr der sieben Meere zum Tragen kommen, doch wie wir im Folgenden sehen, kam es anders.
Das Drehbuch
Bevor wir uns aber der Besetzung widmen, werfen wir zunächst einen näheren Blick auf den Schreibprozess. Als Drehbuchautoren werden heute Seton I. Miller und Howard Koch geführt, obwohl sie nicht die einzigen Schreibprofis waren, die an der Neuauflage von Sabatinis Roman The Sea Hawk arbeiteten. Nachdem Unter Piratenflagge ein so großer Erfolg geworden und damit klar war, dass sich mit Swashbucklern viel Geld verdienen ließ, griff Warner auf den bereits 1924 verfilmten Stoff zurück und beauftragte Delmer Daves (1904 – 1977) mit der Umsetzung. Daves war eher für Komödien und Musikfilme bekannt, hatte aber auch das Skript zu dem beliebten Thrillerdrama Der versteinerte Wald (The Petrified Forest, 1936) verfasst.
Allerdings verweilte das fertige Manuskript dann erst einmal für zwei Jahre in den Schubladen von Warner Bros, da Errol Flynns Darstellung in Unter Piratenflagge einen regelrechten Hype um ihn auslöste und er rasch für die nächsten Filme verplant worden war. Als man sich dann endlich doch an die Produktion heranwagte, waren aufgrund der immer stärker werdenden Kriegsgefahr in Europa die Preise explodiert, so dass selbst die großen Filmstudios sparen mussten, wo immer möglich. Das führte dazu, dass nun Seton I. Miller zum Zuge kam, allerdings mit dem Auftrag im Gepäck, möglichst viele Sets aus dem kurz zuvor im Kino erfolgreich angelaufenen Günstling einer Königin (Earl of Essex, 1939) wiederzuverwerten.
Leider bedeutete diese Vorgabe, dass Miller das Skript zu Beggars of the Sea (so der Arbeitstitel) fast vollkommen an Sabatinis Roman vorbeischrieb und sich deutlich sichtbar am Leben des Entdeckers und Freibeuters Sir Francis Drake orientierte. Diese Tatsache führte später noch zu großem Ärger, doch dazu weiter unten mehr. Allerdings war der Weg bis zum filmreifen Drehbuch damit noch lange nicht beendet, denn das Studio zeigte sich von Millers Entwurf trotz guter Ansätze nicht vollständig überzeugt.
Also holte man Robert Neville (nicht zu verwechseln mit dem Kriegsberichterstatter und Journalisten) an Bord, der einige Anpassungen vornahm, bis Warner schließlich Howard Koch (1901 – 1995) engagierte, der kurz zuvor an dem Flynn-Western Goldschmuggel nach Virginia (Virginia City, 1940) mitgewirkt hatte.
Koch verpasste dem Drehbuch mit seinen zahlreichen Anspielungen an die aktuelle politische Situation in Europa und seiner offensichtlichen Abneigung gegen die Nazis eine politische Attitüde und machte aus dem spanischen König eine Art größenwahnsinnigen Hitler-Verschnitt. Das kam wiederum gut an, so dass Miller und Koch das drehfertige Manuskript nach neun Überarbeitungen endlich an Michael Curtiz übergeben konnten.
Damit kommen wir zu dem oben erwähnten Ärger, den die Adaptation, die nun keine mehr war, heraufbeschwor. Als Rafael Sabatini das Drehbuch las, war er so erbost, dass er die Vermarktung seines Namens zu Werbezwecken ablehnte. Erst als Produzent Hal B. Wallis ihm eine stattliche Entschädigungssumme anbot, sagte Sabatini schließlich zu und sein Name durfte in großen Lettern auf den Plakaten erscheinen.
Das Casting zu Der Herr der sieben Meere
Nun ging es an das Casting und auch jenes gestaltete sich nicht so einfach. Klar war, dass Errol Flynn die Hauptrolle übernehmen würde, doch das Verhältnis zwischen ihm und Michael Curtiz hatte sich inzwischen drastisch verschlechtert. Flynn war bekanntermaßen nicht nur ein Hedonist, sondern auch recht exzentrisch, was die Arbeit mit ihm nicht immer leicht machte.
Außerdem glaubte er von Warner zu einer Karikatur seiner selbst gemacht worden zu sein, zu einem austauschbaren Actionhelden ohne tiefere Bedeutung. Das nagte an seinem Selbstbewusstsein und er wurde immer frustrierter. Der Curtiz-Biograf Alan K. Rode schreibt in seinem Buch Michael Curtiz. A Life in Film dazu: „Flynn glaubte, Curtiz wäre persönlich dafür verantwortlich, dass er stereotyp als eine Art Western-Comicbuch- oder Swashbucklerheld gecastet wurde. (Rode: 270, Übers. d. Autors)
Der Stress mit dem Star ging sogar so weit, dass Hal B. Wallis noch vor Beginn der Dreharbeiten im Juli 1939 seinen Regisseur mit der Bitte anschrieb, Dennis Morgan (1908 – 1994) in der Hauptrolle zu testen. Daraus spricht der ganze Ärger, den Wallis offenbar empfand, zumal Flynn ein Mitspracherecht bei der Auswahl der weiblichen Hauptrolle hatte.
Jack Warners Wunschkandidatin Olivia de Havilland stand für den Film nicht zur Verfügung, wobei die Gründe dafür nicht vollkommen klar sind. Meist ist zu lesen, dass Havilland ablehnte, weil sie Abstand von Flynn benötigte, eine These, die der Flynn-Biograf Thomas McNulty bestätigt (Nulty:102). Alan K. Rode schreibt wiederum, dass ihre Abwesenheit keineswegs einem einseitigen Wunsch entsprang, sondern dass Flynn ebenso wenig neben ihr spielen wollte, wie sie neben ihm (Rode: 270).
Wie so oft liegt die Wahrheit wahrscheinlich irgendwo dazwischen. Auf jeden Fall übernahm nun Brenda Marshall den Part der Doña Maria. Sie (1915 – 1992) als Star zu bezeichnen, wäre arg übertrieben. Der Herr der sieben Meere war erst der vierte Film, in dem die damals 24-Jährige mitspielte. Die als Ardis Ankerson geborene und von Warner in Brenda Marshall umbenannte Aktrice hatte auf der langen Liste bekannter und unbekannter Namen gestanden, die für die Scarlett O’Hara getestet und abgelehnt worden waren und gab insgesamt letztlich eine gute, wenn auch nicht perfekte Vorstellung.
Die Castings der wichtigen Nebenrollen übernahm indes Michael Curtiz selbst, darunter Claude Rains (Prinz John in Robin Hood – König der Vagabunden, 1889 – 1967) als Don José Alvarez de Cordoba, Donald Crisp (König Aguar in Prinz Eisenherz, 1882 – 1974) als Sir John Burleson, Flora Robson (1902 – 1984) als Königin Elisabeth und Alan Hale (Leporello in Die Liebesabenteuer des Don Juan, 1892 - 1950) als Carl Pitt. Nicht zu vergessen der erklärte Bösewicht des Films in Form von Henry Daniell als Lord Wolfingham, da Basil Rathbone auf eine Mitwirkung verzichtet hatte.
Um Daniell rankt sich nebenbei eine hübsche Anekdote. Im Gegensatz zu Rathbone verstand der Mime nämlich nichts vom Fechten. Also engagierte Curtiz den belgischen Fechtmeister Fred Cavens, um den Antagonisten auf den großen Endkampf vorzubereiten. Die Bemühungen glückten allerdings nur leidlich, so dass sich Kameramann Sol Polito einiges einfallen lassen musste, um das Gefecht zwischen Lord Wolfingham und Geoffrey Thorpe so spektakulär wie möglich zu inszenieren.
Die Dreharbeiten von Der Herr der sieben Meere
Dennoch gestalteten sich die Aufnahmen recht schwierig wie ein internes Memo des Unit-Managers Frank Mattison beweist. In diesem ist zu lesen: „Mr. Daniell ist absolut hilflos und seine Close-ups werden überwiegend von seinem Ellbogen aufwärts aufgenommen. Mr. Curtiz war sehr entmutigt […] doch wir können nichts dagegen tun. Es ist unmöglich, zurückzurudern und jemand anderen für die Rolle zu casten. Die Casting-Abteilung und jede in dem Film involvierte Person wurden lange vor dem Drehbeginn über Mr. Daniells Unvermögen zu fechten, gewarnt.“ (Nulty: 272, übers. d. Autors)
Man sagt nicht umsonst, die Götter hätten den Schweiß vor den Erfolg gesetzt und so geschah es offensichtlich also auch hier. Allerdings stellt die obige Story nur eine kleine Randnotiz in der Drehgeschichte von Der Herr der sieben Meere dar. Diese begann bereits mit den harten Budgetverhandlungen, die nach wochenlangen Gesprächen mit einer Einigung auf 1,7 Millionen Dollar endeten.
150000 Dollar gingen davon allein schon für den Bau einer neuen Tonbühne drauf, nämlich der berühmten Stage 21 in den Burbank Studios. Es ist häufig zu lesen, die Konstruktion wäre einzig und allein aufgrund der Arbeiten an Der Herr der sieben Meere entstanden, doch dies ist nur die halbe Wahrheit. Tatsächlich investierte Warner hier eindeutig auch in die Zukunft, zumal es sich um eine der modernsten Anlagen seiner Zeit handelte.
So war es beispielsweise möglich, die gesamte Soundstage bis zu einer Höhe von etwa 1,50 Meter mit Wasser zu füllen. In der Mitte befand sich zusätzlich ein hydraulisch auf und ab bewegbares Becken, dass sich bis zu einer Höhe von vier Metern füllen ließ. Die innovative Technik sorgte dafür, dass sich Stuntleute gefahrlos ebenso von dem im Studio nachgebildeten 41 Meter langen britischen Kriegsschiff als auch von der 50 Meter langen spanischen Galeone ins Wasser fallen lassen konnten. Die beiden Schiffsnachbauten ließen sich wiederum ebenfalls hydraulisch bewegen, um Wellengang und ähnliches simulieren zu können.
Zusätzlich entwickelten der künstlerische Leiter Anton Grot und sein Assistent Leo Kutter eine Wellenmaschine und Special-Effects-Koordinator Byron Haskin baute zwei über fünf Meter lange Miniaturschiffe für die erforderlichen Trickaufnahmen. Insgesamt konnte so fast der gesamte Film im Studio gedreht werden. Lediglich zwei Szenen entstanden außerhalb, namentlich in Point Mugu und auf der Warner Ranch in Calabasas.
Anhand der oben angeführten Fakten lässt sich leicht erkennen, welcher Aufwand für die Entstehung von Der Herr der sieben Meere betrieben wurde. Umso mehr schade erscheint es auf den ersten Blick, dass dafür woanders gespart werden musste. Konkret betrafen die Maßnahmen Warners Entscheidung, den Piratenfilm nicht in Technicolor sondern in Schwarz-Weiß zu drehen, was sich allerdings aus heutiger Sicht aufgrund von Sol Politos brillanter Kameraarbeit gar nicht unbedingt als Nachteil erweist.
Die Obsessionen des Michael Curtiz
Abgesehen von dieser offensichtlichen Sparmaßnahme und jener, die zur Überarbeitung des ursprünglichen Manuskripts geführt hatte, schöpfte Michael Curtiz jedoch aus dem Vollen und nahm es mit den Anweisungen seitens Warner Bros nicht sehr genau. Obwohl Hal B. Wallis die unmissverständliche Leitlinie herausgab, das finale Drehbuch möglichst exakt zu verfilmen, drehte Curtiz den Film so, wie er es für richtig hielt.
Schon in der ersten Woche baute er eine Szene mit Errol Flynn ein, in der der Affe der Hauptfigur eine wichtige Rolle spielt. Daraufhin erhielt der Regisseur ein Memo von Wallis, dessen Inhalt glücklicherweise erhalten blieb. Es beinhaltete die Worte: „Was tust du da? Wirst du mich den ganzen Film über schikanieren und ärgern oder verfilmst du endlich dieses Skript?“ (Rode: 271, Übers. d. Autors)
Curtiz zeigte sich von solcherlei „Störungen“ unbeeindruckt und zog gemeinsam mit Howard Koch als Assistenten sein Ding durch, bis dieser sich schließlich zu stark einmischte und kurzerhand vom Set verbannt wurde. Insgesamt verbesserte sich die Stimmung aber und Wallis vertraute eine Woche nach dem oben zitierten Memo seinem Tagebuch an: „Alles läuft wundervoll. […] Ich konnte sogar meine Mahlzeiten problemlos einnehmen.“ (Rode: 271, Übers. d. Autors).
Der Enthusiasmus hielt aber nicht sehr lange vor, denn schon kurze Zeit später zeigte sich der Produzent erneut verärgert über diverse von Curtiz initiierte Änderungen. Curtiz filmte munter nicht genehmigte Szenen, bis in den daily call sheets schließlich eine entsprechende Anweisung erschien, dies zu unterlassen.
Zu seinem Glück hatte Curtiz aber in Associate Producer Henry Blanke einen eifrigen Unterstützer, der immer wieder auf die Notwendigkeit gewisser Änderungen und Neuerungen hinwies, bis Wallis den Brocken schließlich widerwillig schluckte. Ende Februar 1939 zog das Filmteam mit einer Woche Verspätung von Burbank zur Warner Ranch, um dort einige Szenen aufzunehmen,
Anschießend ging es an die finalen Fechtszenen, nicht aber, ohne den beschriebenen riesigen Aufwand zu verursachen. Als Stuntdouble für Henry Daniell fungierte Ned Davenport. Wie zur Bestätigung, dass doch eigentlich jeder das Filmfechten erlernen könnte, existiert nebenbei erwähnt ein aussagekräftiges, zu Promozwecken aufgenommenes Foto, auf dem Curtiz mit dem Flynn-Double Ralph Faulkner zu sehen ist.
Doch auch mit Flynn selbst lief es nicht rund, denn der Star bekam plötzlich hohes Fieber und war kaum noch in der Lage, sein Schwert zu halten. Deshalb drehte Curtiz die letzten Szenen mit Davenport und Faulkner, allerdings so geschickt, dass dieser Umstand bis heute kaum auffällt. Man muss schon genau hinschauen, um gewisse Unterschiede zu sehen, doch wer die Sequenz sehr aufmerksam beobachtet, wird garantiert fündig.
Am 2. März setzte das Produktion endlich erleichtert einen Haken hinter die Sache und man widmete sich neuen Herausforderungen. Flynn sollte Geoffrey Thorpe nicht als stereotypen Schablonenhelden, sondern als patriotischen Engländer darstellen, der für die gute Sache ins Feld zieht, eine Entwicklung, die dem ob seiner bisherigen Rollen frustrierten Mimen eigentlich zugutekommen sollte.
Doch plötzlich veränderte sich etwas. Flynn versäumte Calls, kam zu spät, verließ das Set zu früh und vergaß des Öfteren seinen Text. Ein Zeuge jener schwierigen Phase war der Kolumnist Sidney Skolsky. Als er eines Tages die Dreharbeiten besuchte, erlebte er mit, was es hieß, wenn Errol Flynn nicht in Spiellaune war.
Curtiz ließ ihn eine Szene so oft wiederholen, dass der Star ihn wutentbrannt ansah und Skolsky einen Eklat befürchtete. Die Situation beruhigte sich erst leidlich, als der Regisseur endlich zufrieden war und sagte: „Errol, du hast hart gearbeitet. Aber es ist gut. Du bekommst im Leben nichts geschenkt, ohne dafür eine Gegenleistung zu erbringen. (Rode: 273, Übers. d. Autors)
Doch auch der Regisseur hatte seine kleineren und größeren Eigenheiten und ging bisweilen sehr obsessiv an den Dreh heran. Beispielsweise entwickelte er eine gewisse perfektionistische Leidenschaft für die berühmte Sklavenszene und ging dabei so weit, dass Errol Flynn sich bestürzt über den verlangten „Realismus“ zeigte. Schließlich gab Hal B. Wallis ihm zur großen Erleichterun aller die Anweisung, die Sache langsamer anzugehen.
Eine andere bekannte Geschichte betrifft die in den Sümpfen Panamas spielenden Szenen. Auch diese wollte Michael Curtiz so lebensnah wie möglich gestalten und forderte einen echten Alligator für den von Anton Grot detailverliebt hergerichteten Backlot an. Es ist kaum nötig zu schreiben, dass ihm die Erlaubnis mit Blick auf die Gesundheit der Schauspielenden versagt wurde.
Nachwehen
Am 20. April 1940 packte das Filmteam mi 68 Tagen Verspätung zusammen. Die Produktion hatte partielles Unvermögen, Erkrankungen, Streitigkeiten und sogar einen Sturz Brenda Marshals vom Pferd überstanden. Der final Cut enthielt 34 nicht im Drehbuch vorgesehene Szenen und war mit 127 Minuten länger als der übliche US-amerikanische Durchschnittsfilm.
Die Einnahmen nach dem Erstrelease am 1. Juli 1940 beliefen sich auf 2,7 Millionen Dollar, was für ein Kriegsjahr durchaus ansehnlich war. 1947 schickte Warner den Streifen international noch einmal ins Rennen, so dass das Werk letztlich auf Gesamteinnahmen von 3,3 Millionen Dollar kam.
Bios heute gilt Der Herr der sieben Meere als wegweisend für das Swashbucklergenre mit einem Star, den Thomas McNulty mit folgenden Worten in höchsten Tönen lobte: „Es gibt Schauspieler, die die Leinwand mit einer brillanten Charakterisierung ihrer Figuren beherrschen und solche, die es mit diesem stets fühl- und greifbaren Gefühl tun, was wir Starqualität nennen. Flynn gehörte dazu, seine körperliche Präsenz war hypnotisch.“ (Nulty: 106, Übers. d. Autors)
Die Synchronisation
Wie immer werfen wir abschließend einen kleinen Blick auf die für den deutschen Markt nicht unwesentliche Synchronisation. Die hiesige Sprachadaption stammt aus dem Filmstudio Tempelhof in Berlin und stand unter der Leitung von Georg Rothkegel, der auch die Dialogregie übernahm.
In der Hauptrolle hören wie Klaus Miedel (1915 – 2000), den wir unter anderem als Stammsprecher von Yul Brynner und Dean Martin kennen. Darüber hinaus interpretierte er abr auch Louis de Funés, Telly Savalas und Donald Pleasence in einzelnen Filmen.
Charlotte Radspieler (1910 – 1967) kam als Doña Maria Alvarez de Cordoba zum Einsatz, die allerdings als Schauspielerin größere Erfolge feierte als als Synchronsprecherin. Der Theaterschauspieler Albert Johannes (1897 – 1983) übernahm den Part des Lord Wolfingham, war aber ebenso wie seine Kollegen kein ausgesprochener Fachmann auf dem Gebiet der Synchronschauspielerei.
Den Carl Pitt gab wiederum Walter Altenkirch (1896 – 1955), der in seinem viel zu kurzen Leben immerhin 122 Sprechrollen übernahm, während Werner Pledath (1898 – 1965) für die Rolle des Don José Alvarez de Cordoba verantwortlich zeichnete. Hinzu gesellen sich Gabrielle Hessman als Königin Elisabeth I, Walter Werner als William Tuttle, Karl Hellmer als Judocos Hondins und Erich Dunskus in der Rolle des Oliver Scott.
Kritik
Wissenswertes
- König Philipp II. von Spanien war der Sohn von Karl V. und regierte zwischen 1554 und seinem Tod am 13. September 1598 ein riesiges Reich, das Neapel, Sizilien, die Spanischen Niederlande, das Königreich Kastilien und León sowie Aragonien, Valencia, Navarra, Katalonien, Sardinien, Mailand, Portugal und die spanischen Überseekolonien umfasste.
- Im Film wird Elisabeth I als englische Herrscherin genannt. Die Monarchin regierte England vom 1558 bis 1603 und fungierte tatsächlich als Gegenspielerin Philipps. Diese Rivalität mündete 1585 in den Englisch-Spanischen Krieg, der bis 1604 andauerte und den Bau der berühmten spanischen Armada forcierte.
- Der Film spielt laut einführender Szene im Jahr 1585. Dies ist aber nicht möglich, da die ersten Schiffe der im Film thematisierten Spanischen Armada erst ab dem 20. Mai 1588 von Lissabon aus in See stachen, um England zu erobern. Somit müssten sich Kapitän Thorpes Abenteuer über rund drei Jahre erstrecken, was bei näherer Betrachtung des Films aber unwahrscheinlich ist.
Interessante Zusatzquellen
Conrad, Earl (Neufl. 1992): Errol Flynn. A Memoir, Isis Large Print, Santa Barbara
Flynn in Action, Dokumentation als Extra zur Blu-ray, Plaion Pictures GmbH, Planegg
Glancy, Mark H. (2006): Warner Bros Film Grosses, 1921 – 51: the William Schaefer ledger, in Historical Journal of Film, Radio and Television, 15, 55–73. https://doi.org/10.1080/01439689500260031
Kellerbach, Christoph (2025): Der Herr der sieben Meere. Die Entstehung eines zeitlosen Klassikers, Booklet zur Blu-ray, Plaion Pictures GmbH, Planneg
McNulty, Thomas (2004): Errol Flynn: The Life and Career, S. 101 – 106, McFarland & Company Inc. Publishers, North Carolina, London
Rode, Alan K. (2017): Michael Curtiz. A Life in Film, S. 269 – 276, University Press of Kentucky
Thomas, Tony et al. (1969): The Films of Errol Flynn, S. 94 – 96, Citadel Press, Toronto
Warner Bros financial information in The William Schaefer Ledger (1995): Appendix 1, Historical Journal of Film, Radio and Television, DOI: 10.1080/01439689508604551
Bildquelle: Plaion Pictures, Warner Bros. Discovery