Kavalier mit der schwarzen Maske

(‘L’invincible cavaliere mascherato, 1962)

 

Winnetou als Zorro

von Reinhard Prahl

 

Nicht nur Lex Barker, auch Pierre Brice versuchte sich Anfang der 60er-Jahre als Robin Hood-Verschnitt, wenn auch in Zorro-Maske und im Spanien des 17. Jahrhunderts. Heraus kam ein frühes, ansehnliches Werk des späteren Kultregisseurs Umberto Lenzi, das sicherlich kein Knaller ist, aber auch niemandem wehtut. 

 

Das passiert in Kavalier mit der schwarzen Maske

Don Luis ist ein skrupelloser Herzog im Spanien des 17. Jahrhunderts. Gnadenlos beutet er seine Untertanen aus und führt einen ausschweifenden Lebensstil. Um seine Macht zu vergrößern, schreckt er auch vor Überfällen und Mord nicht zurück, doch als er eines Tages den gutmütigen und beliebten Don Gomez umbringen lässt, ruft er einen schwarz maskierten Rächer auf den Plan, der alles daransetzt, der Herrschaft von Don Luis ein Ende zu setzen.

 

Über den Film

Kavalier mit der schwarzen Maske, bzw.L'invincibilecavaliere mascherato, El caballero enmascarado oder Zorro, o aoratos ekdikitis  gehört in eine Reihe von französisch-italienischen Koproduktionen, wie es sie zwischen den 60er und 70er-Jahren zuhauf gab. Die Story basiert lose auf den Zorro-Geschichten von Johnston McCulley, die mit dem fünfteiligen Roman The Curse of Capistrano, 1919 im Pulp Magazin All-Story Weekly ihren Anfang nahmen. Winnetou-Star Pierre Brice trat damit, wie auch sein Kollege Old Shatterhand alias Lex Barker, in die großen Fußstapfen des Stummfilmstars Douglas Fairbanks.

 

Jener hatte nicht nur Robin Hood auf der großen Stummfilmleinwand zum Leben erweckt (1922), sondern auch bereits zwei Jahre zuvor  als erster Schauspieler überhaupt in The Mark of Zorro (1920) den maskierten Rächer mit dem schwarzen Umhang und der schnellen Fechthand. Der Abenteuerfilm des italienischen Starregisseurs Umberto Lenzi (Sandokan, Orgasmo, Lebendig gefressen) enthält allerdings zusätzlich einige wenige Elemente aus der Legendenwelt des spätmittelalterlichen Geächteten aus dem Sherwood Forest (wenn auch nur in der deutschen Synchronisation). So gesehen ist hier also ein seltener Mix zweier Helden vereint, die beide gegen eine erdrückend erscheinende Übermacht für das Recht der Unterdrückten eintreten. Als Produktionsfirma fungierten übrigens Romana Film (u.a. Zorro gegen Maciste - Kampf der Unbesiegten) sowie Société de Cinématographie. Als Vertriebspartner für den deutschen Raum fand sich Constantin Film. 

 

Das Produktionsteam von Der Kavalier mit der schwarzen Maske

Am Drehbuch arbeiteten neben Lenzi auch Gino De Santis (Der Zorn des Archilles, 1962) und Guido Malatesta (Germanicus in der Unterwelt, 1962) mit. Luciano Martino (bekannt für Horrorfilme wie Ein Zombie hing am Glockenseil, 1980) schrieb das Drehbuch. Die Kamera übernahmen die erfahrenen Bitto Albertini und Augusto Tiezzi, der in seiner Karriere zahlreiche Abenteuerfilme drehte, darunter so bekannte Sandalenklopfer wie Der Gefangene der Sarazenen (1959) und Herkules, der Rächer von Rom. Für den Score zeichnete Angelo Francesco Lavagnino (1909 – 1987) verantwortlich, einer der bekanntesten Filmkomponisten Italiens. Als Produzent trat Fortunato Misiano in Erscheinung. Der Filmschaffende war bereits seit 1947 aktiv und führte seinerzeit Kostümfilme wie Die Kavaliere vom schwarzen Schwert, Der Sohn des roten Korsaren und Die Küste der Piraten im Portfolio.

 

Neben Pierre Brice ist unter anderem der italienische Abenteuerfilm- und Italowesternstar Daniele Vargas (1922 – 1992, Die Schlacht von Marathon, Herkules – Rächer von Rom, Für drei lumpige Dollar) in der Rolle des Don Luis zu sehen. Die französische Schauspielerin Hélène Chanel gibt die Carmencita und der als Bishop Barbarrigo aus dem Kultfilm Wenn die Gondeln Trauer tragen bekannte Massimo Serato (1916 – 1989) spielt Don Rodrigo. Gedreht wurde in der mittelitalienischen Region Latium in der 8600-Seelen-Gemeinde Ronciglione. Nicht unerwähnt bleiben darf, dass Brice 1963, im Entstehungsjahr des Streifens, noch einmal in die Rolle des Don Diego aka Zorro schlüpfe, nämlich im ebenfalls von Umberto Lenzi inszenierten Abenteuerfilm Zorro gegen Maciste – Kampf der Unbesiegbaren.

 

Die Synchronisation

Die deutsche Bearbeitung stammt von der Internationale Film-Union-GmbH (IFU) in Remagen. Das Dialogbuch schrieb Helmut Harun und die Regie im Studio führte Horst H. Roth, der ein Jahr zuvor die Synchro-Regie für den beliebten Sandalenfilm Die letzten Stunden von Pompeji inne gehabt hatte und auch für die deutsche Bearbeitung von Zorro gegen Maciste - Kampf der Unbesiegbaren (1963) verantwortlich zeichnete.  Michael Chevalier (vgl. unter anderem Die Legende von Robin Hood) trat als deutsche Stimme von Pierre Brice/Don Diego in Erscheinung. Als Carmencita ist die 2010 verstorbene Dagmar Altrichter zu hören, die in ihrer langen Karriere nicht weniger als 504 Film- und Serienauftritte absolvierte. Den Don Luis sprach Alf Marholm (1918 – 2006), dessen markante Stimme man unter anderem aus dem ZDF-Adventsvierteiler Die Schatzinsel von 1966 kennt, wo er Ivor Dean als Long John Silver die deutschen Dialoge in den Mund legte. Den deutsch sprechenden Don Rodrigo gab schließlich Ernst von Klipstein (1908 – 1993).

 

Releases

Anzumerken wäre last but not least, dass Robin Hood in der Stadt des Todes am 29. März 1963 in den italienischen Lichtspielhäusern Premiere feierte. Am 13. September desselben Jahres folgte Westdeutschland und im Juli 1967 schließlich die USA. Interessant zu wissen ist vielleicht noch, dass der Streifen sowohl in Deutschland, als auch Großbritannien, Frankreich und den USA synchronisiert wurde. Lediglich in Kanada mussten die Zuschauer mit dem italienischen Original Vorlieb nehmen. Die DVD-Auswertung für den deutschen Markt übernahm KSM im Jahr 2007.

Kritik

Routiniert abgespult

Eins muss man Robin Hood in der Stadt des Todes lassen: ausgestattet ist der Film wahrlich nicht schlecht. Die Kostüme, die Sets, und ebenso die Requisiten wissen durchaus zu gefallen. Hinzu kommen ansprechend choreografierte Schwertkämpfe und einige Westernelemente (beispielsweise der Überfall auf Don Diegos alias Pierre Brices Kutsche). Die Story ist hingegen weder einfallsreich, noch überraschungs- und besonders wendungsreich.

 

Allerdings trifft dies ebenso auf zahlreiche Hollywoodvertreter der 50er- und 60er Jahre zu, auch, wenn man in den USA sicherlich wesentlich mehr Geld in die Hand nahm. Dennoch sind die Bösewichte herrlich eindimensional fies und der strahlende Held in Schwarz wundervoll heroisch. Zudem verstehen es Regisseur Umberto Lenzi und sein Produktionsteam hervorragend, spanisches Flair nach Mittelitalien zu zaubern. Insgesamt ist das alles nett anzuschauen, wenn man keine allzu hohen technischen Erwartungen an das Werk stellt. Der Film gehört nämlich zu den frühen Werken Umberto Lenzis, weshalb die Kameraführung oft statisch und insgesamt wenig innovativ wirkt.

 

Einige hübsch inszenierte Bilder, wie etwa ein spanischer Tanz vor einem knallroten Vorhang oder schwarz gekleidete Mönche mit maskierten Gesichtern in einem pestverseuchten Dorf, die von lodernden Flammen überblendet werden, sorgen allerdings für ein wenig Abwechslung von der tristen Routine und lassen das spätere Schaffen des Kultregisseurs vorausahnen.

 

Von Helden und Antihelden

Auf schauspielerischer Seite ist der Auftritt von Pierre Brice ab etwa der Mitte des Films das absolute Highlight. Brice spielt den Don Diego mit einer großen Portion bornierter Arroganz, Ignoranz und Überheblichkeit, während er als Robin Hood bzw. Zorro mutig, draufgängerisch und rechtschaffend ist. Genau so stellt man sich einen charmanten, maskierten Helden vor. Daniele Vargas gibt als Don Luis routiniert seinen brutalen, machtbesessenen und skrupellosen Widersacher. Don Luis' Komplizen und Untertanen Don Rodrigo (Massimo Serato), Tabuca (Carlo Latimer) und Francisco (Aldo Bufi Landi) sind alle sehr gut im Schwertkampf ausgebildet und tun genau das, was sie sollen: böse sein, fechten und sterben.

 

Lediglich Héléne Chanel bildet die unrühmliche Ausnahme. Die Aktrice hatte ihre Karriere 1959 mit dem französischen Drama Die nach Liebe hungern gestartet und man sollte annehmen, nach fünfzehn Filmen hätte sie eigentlich über genügend Erfahrung für ein einigermaßen differenziertes Spiel verfügen müssen. Dass weder Gestik noch Mimik punktgenau landen, liegt allerdings weniger am klischeehaften Frauenbild der frühen 60er-Jahre, als vielmehr daran, dass Chanel schlicht zu wenig Star-Potential besaß und daher rückblickend recht gekünstelt herüberkommt. Das führt zu manch unfreiwillig komischer Szene, vor allem im Zusammenspiel mit Daniele Vargas.

 

Fazit

Auch wenn der Name des Helden von Sherwood einige Male fällt, hat Robin Hood in der Stadt des Todes eigentlich so gut wie nichts mit dem Outlaw zu tun. Vielmehr teilen sich Zorro und er einige Eigenschaften, die eine Verknüpfung der beiden Figuren für die Autoren zu rechtfertigen schienen. Ansonsten lässt sich kaum erklären, warum Helmut Harun Robin in eine eigentlich reine Zorro-Geschichte einzubaute. Schlecht macht das den Film aber sicherlich nicht.

 

Die Geschichte ist in einem angenehmen Tempo erzählt und geht für einen italienisch-französischen Abenteuerfilm vollkommen in Ordnung. Szenenbild, Kostümdesign und Requisiten passen super und die Kampfchoreografien machen Nostalgikern Spaß. Lediglich in Erinnerung bleibt vom dem Gesehenen im Grunde genommen kaum etwas, weil es nichts gibt, was man nicht schon hundertmal in ähnlichen Streifen zu Gesicht bekommen hat. Zu den wenigen Highlights gehört zweifellos die Leistung von Pierre Brice, der hier beweist, dass er nicht nur als Winnetou eine gute Figur macht, sondern auch als Mantel-und-Degen-Held. Mit anderen Worten: kann und darf man mal gesehen haben. 

Wissenswertes

- Bis auf einige Motive haben die Legenden von Zorro und jene des Robin keinerlei Berühungspunkte. Erstere geht auf die Geschichten des Schriftstellers Johnston McCulley zurück (vgl. oben), zweitere jedoch auf Texte, die sich mindestens bis ins 14. Jahrhundert zurückverfolgen lassen (Klinger: 8) 

- Die Figur des Zorro wird bisweilen als "Prototyp" des Superhelden gesehen, so stellt der Literaturwissenschaftler Stephen J. C. Andes etwa fest: "Als ich die einschlägige Literatur nach Superhelden durchforschte, stellte ich zwei wichtige Dinge fest: Erstens besitzen nicht alle Superhelden übernatürliche Fähigkeiten und zweitens ist Zorro tatsächlich eine Art Superheldenprototyp. Einer, dessen Fähigkeiten in den Superhelden, die er inspirierte - zum Beispiel Shadow, das Phantom, Die grüne Hornisse und Batman - weiterentwickelt und verfeinert wurden." (Andes: 4)

 

Interessante Zusatzquellen

Andes, J. C. (2020): Zorro's Shadow. How a Mexican Legend Became America's First Superhero., Chicago Review Press, Chicago

Klinger, Judith (2015): Robin Hood - Auf der Suche nach einer Legende, Lambert Schneider, Darmstadt

https://www.filmposter-archiv.de/filmplakat.php?id=30343 

https://archive.org/details/markofzorro00mccu/mode/2up 

alle Quellen zuletzt abgerufen am: 02.10.2022

 

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Bildquelle: KSM 2009, ImDb

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