Robin Hood und die Piraten

(Robin Hood e i pirati, 1960)

 

Lex Barker auf Abwegen

von Reinhard Prahl

 

Lex Barker in Strumpfhosen, das hat schon was – auch, wenn der Sherwood Forest in dieser italienischen Verfilmung so gut wie gar keine Bäume hat.

 

Das passiert in Robin Hood und die Piraten

Auf seiner Heimreise vom Heiligen Land nach England wird Robin Hood von Piraten gekidnappt. Im Laufe der Tage und Wochen auf dem Freibeuterschiff entwickelt sich jedoch eine Freundschaft zwischen ihm und dem Captain Guercio. Nachdem die Seeräuber nach einem Sturm an der Küste Sherwoods landen und Robin herausfindet, dass der böse Statthalter Brooks die Grafschaft und sein Schloss übernommen hat, ist es eine Frage der Ehre für Guercio, seine burschikose Frau Wamba und den gutherzigen Bukanier Ohnehand, an Hoods Seite zu kämpfen.

 

Über den Film

Lex Barker war ohne Frage ein Arbeitstier, das nach den zwischen 1949 und 1953 gedrehten fünf Tarzanfilmen aufgrund steigender Unzufriedenheit mit den Angeboten in Hollywood nach Italien ging. Allein zwischen 1954 und dem Erscheinungsjahr von Robin Hood und die Piraten drehte der brillant aussehende Star sage und schreibe 19 Filme, fünf davon im Jahr 1957 (darunter auch der US-amerikanische Western Lederstrumpf: Der Wildtöter (The Deerslayer).

 

Ein Jahr später folgte schließlich der Streifen, der als erster Robin-Film von Barker in die Geschichte eingehen sollte, obwohl Rebell ohne Gnade (Capitan Fuoco) diese Ehre nur wegen seines Alternativtitels Robin Hood – Der Rebell zuteil werden sollte. Mit dem Outlaw vom Sherwood Forest hatte der Streifen nur insofern zu tun, als dass er eine lose Adaption der Legendenwelt um Robin Hood war, die in Italien spielte.

 

Über die Produktionsgeschichte von Robin Hood und die Piraten lässt sich rückblickend leider nicht mehr sehr viel herausfinden. Sowohl Wikipedia (in Deutsch, Englisch und Italienisch), als auch die renommierte Fanwebsite lexbarker.net führen allesamt dieselben nur leidlich interessanten Fakten auf, dass der Film am 24. Dezember 1960 in Italien uraufgeführt wurde und in Deutschland ab dem 4. August 1961 in den Kinos lief. In der ehemaligen DDR feierte er am 3. April 1971 Premiere und als DVD in Deutschland am 14. August 2008. Das ist nicht viel, was trotz der billigen Machart und dem eher kruden Drehbuch ein wenig schade ist. Bei näherer Betrachtung lässt sich aber noch ein wenig mehr über das Werk in Erfahrung bringen.

 

Das Produktionsteam

Etwas ergiebiger ist da schon ein näherer Blick auf die Produktionsbeteiligten. Nicht weniger als fünf Autoren versuchten sich am Skript. Zu nennen wäre da zunächst Edoardo Anton, der in Italien bereits seit 1935 im Geschäft war und sich international unter anderem mit dem Märchenfilm Prinzessin Aschenbrödel (1941) und dem Agententhriller Verschwörung in Algier 1953) mit dem Humphrey-Bogart-Lookalike George Raft in der Hauptrolle einen einigermaßen klangvollen Namen gemacht hatte.

 

Ihm zur Seite standen Leo Bomba, der mit Anton 1957 zusammen Der Sohn des Scheik geschrieben hatte und Marcello Ciorciolini, der für Barker 1960 den gar nicht üblen Das Geheimnis der roten Maske verzapfte und gleich danach mit dem Kulttrasher Königin der Barbaren nachlegte. Von ihm stammen übrigens auch Herkules, der Held von Karthago (1961) mit dem kanadischen Bodybuilder Samson Burke in der Titelrolle sowie Ursus, der Unbesiegbare (1963, diesmal mit dem US-Muskelmann Ed Fury als Ursus). Beide Streifen waren international immerhin so erfolgreich, dass sie heute noch immer mal wieder im Fernsehen laufen. Carlo Infascelli entwickelte indes die Story und pfuschte ebenfalls am Skript mit herum. Enrico Spadorcia komplettiert das Quintett.

 

Die Regie des von der Produktionsfirma Finanziaria Cinematografica Italiana (FICIT) finanzierten Werks übernahm übrigens Giorgio Simonelli, der auch beim oben bereits erwähnten Ursus, der Unbesiegbare das Zepter in der Hand hielt. Der Autor dieses Artikels entdeckte übrigens eine interessante Diskrepanz in den Angaben zur Filmkomposition. Als Komponist ist auf lexbarker.net Carlo Rustichelli angegeben, eine Aussage, die sich mit Wikipedia deckt, interessanterweise nicht aber mit ImdB.

 

Die bekannte Plattform führt das Duo Guido Robuschi und Gian Stellari auf, die zwischen 1959 und 1965 an insgesamt 15 Filmen miteinander arbeiteten. Was stimmt denn nun aber? Ein Blick auf den Abpann offenbart die Wahrheit: Die Ehre, den Score geschrieben zu haben, gebührt dem Duo. Carlo Rustichelli, übrigens eines der musikalischen Vorbilder für Ennio Morricone, war weder an Robin Hood und die Piraten, noch auch nur an einem der Streifen beteiligt, die Robuschi und Stellari zugeschrieben werden.

Kritik

 

(K)ein echter Robin

Inhaltlich gehört Robin Hood und die Piraten zu jenen Adaptionen des Stoffes, die aus heutiger Sicht eher unfreiwillig komisch als spannend abenteuerlich anmuten. Schon der Beginn, als der unvergessliche Walter Barnes als Captain im Studio verzweifelt versucht, einen Piraten in Seenot auf einem sinkenden Schiff zu mimen, lädt zum Schmunzeln ein. Die Kamera ist schlecht positioniert, die Beleuchtung wirkt künstlich und überhaupt sieht die ganze Szenerie sehr hölzern aus.

 

Der Schiffbruch am Strand der Grafschaft Sherwood, im Film tatsächlich mit einem Wegestein, auf dem „conte di Sherwood“ zu lesen ist gekennzeichnet, gerät ebenfalls eher semioptimal. Davon ab, dass es eine überaus interessante Erkenntnis ist, dass man im England des Mittelalters Italienisch schrieb, darf man sich die nicht ganz unberechtigte Frage stellen, wo in Richard Löwenherz‘ Namen eigentlich genau in Mittelengland der Strand des Mittelmeers verläuft. 1960 mögen solche Details wenig aufgefallen sein, retrospektiv betrachtet jagt hier jedoch ein nicht ganz beabsichtigter Gag den nächsten.

 

Böse Buben

Schnell stellt sich heraus, dass der böse Brooks (in der deutschen Synchro übrigens Brokas) die Grafschaft (die nebenbei erwähnt keine Grafschaft, sondern ein Wald ist und in Nottinghamshire liegt) in Robins Abwesenheit übernommen hat, nachdem er dessen Vater hinterrücks ermordete. Das entspricht in etwa dem altbekannten Narrativ um den Outlaw und sollte eigentlich als Prämisse für ein nettes Nachmittagsabenteuer genügen.

 

Mit viel Augenzudrücken, einem dicken Nostalgiebonus und der Freude an Lex Barker und Walter Barnes, der übrigens fünf Filme zusammen mit dem gutaussehenden Star drehte (darunter Winnetou I und Das Halbblut Apanatschi) tut es das auch. Allerdings lässt das Drehbuch andererseits kaum einen Faux pas aus. Die Tatsache, dass über der Burg des von Mario Scaccia beinahe schon gruselig schlecht gespielten Brooks ein Union Jack weht, ist da nur der kleinste von vielen. Bekanntermaßen spielen die Abenteuer Robin Hoods irgendwo zwischen den Jahren 1189 und 1199 (die Zeiträume variieren sowohl in den Theaterstücken, als auch den Romanen und den zahlreichen Verfilmungen), während der Union Jack erst ab 1606 Verwendung fand.

 

Keine Bäume im Sherwood Forest

Schön ist hingegen, dass der Film nicht an Statisten und wilden Ritten durch den nicht vorhandenen Wald von Sherwood spart. Die Rebellen-Helden springen oft genug in bester Westernmanier aus Bäumen auf vorbeischleichende Pferde, um die Schergen des Statthalters zu überwältigen. Die Schwerter klirren, die Stöcke tanzen und überhaupt gibt Walter Barnes einen spaßigen Piratenanführer ab, der seine Horde gut im Griff hat.

 

Die bezaubernde Jocelyn Lane, die interessanterweise ihre Karriere mit einer kleinen Nebenrolle in The Man of Sherwood Forest (1954) begonnen hatte, sorgt als Karin Blain für den romantischen Teil. Und die nicht minder attraktive Rossana Rory als Brooks‘ Tochter Lizbeth gibt das Biest aus verschmähter Liebe, die am Ende aber Robin das Leben rettet. Auch Lex Barker legt eine nett anzusehende Spielfreude an den Tag. In einem kleinen Promo-Clip in spanischer Sprache, den der Autor kürzlich auf YouTube entdeckte, sind Barker, Jocelyn Lane und ein paar Statisten zu sehen, die sich lächelnd und scherzend auf die nächste Szene vorbereiten. Am Ende erhaschen wir auch noch einen Blick auf die Erstürmung der Burg Sherwood und einige Stuntmen, die sich mutig die mindestens drei Meter hohe Mauer hinabstürzen.

 

Fazit

Robin Hood und die Piraten gehört weder zu den erinnerungswürdigen Lex-Barker-Filmen, noch zu den besseren Hood-Adaptionen. Das Drehbuch ist langweilig, wendungsarm und voller inhaltlicher Fehler. Dass es sich nicht um ein Meisterwerk handelt war offenbar selbst Walter Barnes klar, der einmal in einem Interview seinen Freund gegen die Anfeindungen der Tochter von Barkers Ex-Frau Lana Turner nach dessen Tod mit den Worten verteidigte: But that doesn‘ t negate how good Lex was as an action star, even if movies like Robin Hood and the Pirates aren‘ t the means with which to convince skeptics.“ (Aber das [die rufzerstörenden Anschuldigungen gegen Barker, Anm. des Verfassers] ändert nichts daran, wie gut Lex als Actionstar war, auch wenn Filme wie Robin Hood und die Piraten nicht unbedingt dazu geeignet sind, Skeptiker zu überzeugen.“).

 

Dennoch hat der Film durchaus seine spaßigen Momente, zugegebenermaßen bisweilen unfreiwilliger Natur, aber oft genug auch aufgrund der Spielfreude von Lex Barker, Walter Barnes und Jocelyn Lane. Letztere brachte die nötige Portion „schöne Unschuld vom Lande“ mit, die sich in den Helden verliebt und der Himmel und Hölle in Bewegung setzt, um die Liebe seines Lebens zu retten. Wer den Film schaut, muss sich darüber im Klaren sein, dass es sich hier um einen italienischen Billigfilm handelt, wie sie zwischen den 50er und 70er Jahren beinahe im Monatstakt auf den Markt herniederprasselten.

 

Die Zutaten waren im Grunde immer dieselben: Bunte Kostüme, ein oder zwei US-Zugpferde im Cast, eine abenteuerliche Geschichte, die keiner großen Logik bedurfte, eine hübsche Frau, die es zu retten galt und ein Held, der würdig war, das Herz der Schönheit zu gewinnen. Das muss man nicht mögen, kann und darf man aber, selbst, wenn man sich hier und da ein wenig peinlich berührt umblickt und darauf hofft, dass niemand heimlich mitschaut.

 

Wissenswertes

- Die Burgszenen wurden in der in Mittelitalien liegenden Region Latium auf der im 13. Jahrhundert erbauten Burg Castello Caetani gedreht.

- Eine beliebte Legende besagt, dass in der Burg der Geist eines Narren umhergespenstert.

 

Interessante Zusatzquellen: 

http://lexbarker.net/ , Infos zum Film (zuletzt abgerufen: 11.09.2022)

https://www.lex-barker.com/index.php?med=scr&lang=eng&menu=barnes, Interview mit Walter Barnes

https://www.youtube.com/watch?v=-ljI4_Qi3ng, Promoclip in spanischer Sprache von 1960

https://de.wikipedia.org/wiki/Castello_Caetani

https://youtu.be/JY3zJlzVt-o?si=HwgL3VAIWUpk2aCt 

 (alle zuletzt abgerufen am 11.06.2024)

 

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Bildquelle: © 2009, KSM

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